Gemeinsam essen und dabei Berührungsängste abbauen: Bei den Afrikanischen Abenden der Braunschweiger AIDS-Hilfe wird in ungezwungener Atmosphäre auch über HIV/Aids gesprochen.

Mit routinierten Bewegungen formt Ingrid Kenne Kugeln aus Hefeteig, die sie dann in einen Topf mit heißem Fett fallen lässt. Der Duft dieser leicht süßen, frisch frittierten Beignets mischt sich mit dem von schmorendem Gemüse, scharfen Zwiebeln und Gewürzen.
Seit morgens um acht bereiten sie und ihre Helferinnen Speisen vor. Jeden letzten Samstag im Monat nämlich lädt die Braunschweiger AIDS-Hilfe zu einem Afrikanischen Abend. Das klingt unspezifisch – und so ist es auch gedacht. Es kommen Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern: Nigeria, Elfenbeinküste, Mali, Guinea, Kamerun, …

„Die meisten Leute haben nicht so viele Informationen“

Vorbeikommen und afrikanische Küche genießen

Die Idee ist, einen Ort der Begegnung zu schaffen – für Menschen aus afrikanischen Ländern und ihre deutschen Freund_innen, für Menschen mit und ohne HIV. Die Botschaft lautet: Kommt einfach vorbei, es gibt afrikanisches Essen. Dabei wird auch über HIV und Aids gesprochen – zum Beispiel über Testmöglichkeiten. Das habe schon einige Besucher_innen motiviert, sich beim Gesundheitsamt testen zu lassen, erzählt Kerstin Göllner von der Braunschweiger AIDS-Hilfe.

Es liegen Infobroschüren in Englisch und Französisch aus, am Eingang steht ein Korb mit Kondomen und Frauenkondomen. Externe Referent_innen sind eingeladen, die über Möglichkeiten zur Integration und das Gesundheitswesen in Deutschland informieren.
Ohne Multiplikator_innen aus der afrikanischen Community würde das aber nicht funktionieren. Auf die Frage, wie sie von den Treffen erfuhren, haben die meisten Besucher_innen eine kurze Antwort parat: „Von Ingrid.“

Die 33-Jährige lernte die Aidshilfe eher zufällig kennen. Vor mehr als zehn Jahren kam sie aus Kamerun nach Deutschland. Sie studiert soziale Arbeit und begleitet schon länger Menschen im Asylverfahren. Eines Tages vertraute sich ihr eine HIV-positive Frau an, mit der sie daraufhin zum Arzt und zur Braunschweiger AIDS-Hilfe ging. Ingrid Kenne begann, sich dort zu engagieren, weil sie gemerkt hat: „Die meisten Leute haben nicht so viele Informationen.“
Sie schildert, wie sie mit Menschen ins Gespräch kommt. Morgens zum Beispiel, wenn sie ihren Sohn zur Schule bringt, kommt sie an der niedersächsischen Landesaufnahmebehörde vorbei und erzählt dort von den Afrikanischen Abenden.

Kein Aids für alle – bis 2020!

Finanziert wird das Projekt im Rahmen der DAH-Kampagne „Kein Aids für alle!“. Ziel ist, dass ab 2020 in Deutschland niemand mehr an Aids erkranken muss. Eine rechtzeitige HIV-Behandlung verhindert den Ausbruch der Krankheit Aids. Dafür muss die Infektion zunächst erkannt werden. Viele Menschen jedoch scheuen den HIV-Test – aus Angst, nach einer positiven Diagnose ausgegrenzt zu werden. Laut dem Robert-Koch-Institut werden etwa ein Drittel der HIV-Neudiagnosen in Deutschland bei Migrant_innen gestellt, darunter sind viele Menschen aus den Ländern Subsahara-Afrikas. Unter ihnen ist auch der Anteil derer besonders hoch, die erst spät von ihrer Infektion erfahren.

Teil des Problems sind unter anderem Tabuisierung und Stigmatisierung von HIV und Aids in afrikanischen Communitys. Theresa Chuma*, die im Garten der Aidshilfe an einem Tisch sitzt, weiß das aus eigener Erfahrung. Vor zwei Jahren kam die 63-Jährige aus Simbabwe nach Deutschland. Vor einem Jahr erst hat sie erfahren, dass sie HIV-positiv ist. Sie vermutet aber, dass sie sich schon vor langer Zeit infiziert hat.

„Sie dachte, sie dürfe niemanden mehr berühren“

Die Diagnose war ein Schock. „Ich wusste nichts darüber“, erzählt sie. Die Unsicherheit war groß – auch in ihrer Umgebung. Ihre Cousine, mit der sie nach Deutschland gekommen ist, habe ihr sogar verboten, deren Sachen anzufassen. Sie habe gedacht, sie dürfe niemanden mehr berühren, berichtet Kerstin Göllner vom ersten Treffen mit Theresa Chuma. „Wir haben ihr einen Kuss auf die Wange gegeben, um zu zeigen: Du bist keine Gefahr!“

Einander kennenlernen

Immer mehr Gäste treffen ein. Der 34-jährige Amadou Cissé* steht mit anderen jungen Männern am Grill. Er komme eigentlich jedes Mal. „Bei den Abenden kann man einander kennenlernen“, sagt er. „Ich habe mich sofort wie in einer Familie gefühlt“, erzählt auch Murielle Kouassi*, die seit drei Jahren in Deutschland lebt. Es sei schön, dass man bei den Abenden auch Deutsche treffe.
Zur offiziellen Eröffnung des Fests bilden alle einen Kreis. Kerstin Göllner ermutigt zur Begrüßung alle Gäste, mit Fragen zu ihr zu kommen. Nach dem Essen beginnen die Trommler. Getanzt wird, bis ein Nachbar am Gartentor anfängt zu zetern. So wird das Fest kurzerhand nach drinnen verlegt. Zwar behauptet der Nachbar: „Wir sind hier nicht in Afrika.“ Doch man hat den Eindruck: An diesem Abend irrt er gewaltig.

Inga Dreyer

*Name von der Redaktion geändert